SVS-Gesundheitshunderter Neuerungen 2023
Atempädagog*innen neu im Bereich Bewegung
atem austria ist seit 2014 Kooperationspartner im Rahmen des SVS-Gesundheitshunderters. Anfang März wurden wir nun informiert, dass ab 2023 dafür geänderte Rahmenbedingungen gelten und die SVS die Vereinbarung mit uns auslaufen lassen will. Wir konnten zum Glück ein Auslaufen verhindert!
Hier die Neuerungen:
Für den Großteil der Atempädagog*innen gilt nun, dass ihre Klient*innen Honorare für atempädagogische Angebote für den Gesundheitshunderter im Bereich Bewegung einreichen können.
Im Bereich „Mentale Gesundheit“, in dem die Atempädagogen bis 2023 gelistet waren, sind ab nun folgende Qualifikationen nötig: Ärzt*innen mit Psy-Diplom, Klinische- und Gesundheitspsychologe*innen, Psychotherapeut*innen, Lebens- und Sozialberater*innen. Sofern Mitglieder von atem austria eine dieser Ausbildungen nachweisen können, können SVS-Versicherte auch weiterhin atempädagogische Maßnahmen im Bereich „Mentale Gesundheit“ mit dem SVS-Gesundheitshunderter fördern lassen.
Für beide Bereiche gelten noch weitere für uns relevante Neuerungen:
Ab 2023 ist kein Mindestbetrag von € 150 für die Einreichung des SVS Gesundheitshunderters mehr notwendig. Bis zur maximalen Fördersumme von € 100 können mehrere Beträge pro Jahr für den Gesundheitshunderter beantragt werden (vormals war nur ein Antrag pro Jahr möglich).
Ab 2023 ist die Antragstellung für den Gesundheitshunderter online unter www.svs.at/gesundheitshunderter möglich. Dort findet man auch weitere Informationen zum Nachlesen.
Besonders bedanken möchten wir uns bei Ingrid Feuereis und Johannes Zemanek, die durch ihre Texte den Wechsel zum Bereich Bewegung möglich gemacht haben. Da wir finden, dass diese beiden besonders gut gelungene Texte auch als Anregung für euer eigenes Wording dienen können, haben wir sie weiter unten angefügt.
Weiters geben wir hier noch eine abschließende Stellungnahme der SVS wieder, die wichtig ist und von euch beherzigt werden sollte.
„Erwähnen möchte ich, dass der Gesundheitshunderter eine freiwillige Leistung aus dem Bereich der Gesundheitsförderung ist. Da das Wort „Behandlung“, oft im Kontext mit Krankenbehandlung steht, sollte dies auf der Rechnung nicht aufscheinen. Zudem wäre es gut, wenn auf der Rechnung der Bezug zur Bewegung erkennbar ist, um bei Prüfungen keinen Erklärungsbedarf zu haben.
Ich kann schwer einschätzen, inwieweit Ihre Mitglieder die Klienten bzgl. ihres Versicherten-Standes befragen. Durch die Möglichkeit der finanziellen Unterstützung von SVS Versicherten würde dies aber von Interesse sein, um gezielt die Information weiterzugeben“ (Mag. Ulrike Haberl, SVS)
Johanna Pachler, Atempädagogin und Vorstandsmitglied atem austria, Mai 2023
Exemplarisches Beispiel, wie konkret in einer atempädagogischen Gruppenstunde hinsichtlich Bewegung gearbeitet wird.
Eingereicht bei der SVS, um atempädagogische Angebote künftig dem Bereich „Bewegung“ zuzuordnen zu lassen.
In all meinen Stunden werden die Teilnehmer*innen auch unterrichtet, wie der Körper aufgebaut ist und somit ihr Körperbewusstsein geschult. Ich erkläre, welche Gelenke gerade bewegt werden. Das beginnt schon bei der Anleitung im Raum zu gehen, indem die Wahrnehmung auf die Füße gelegt wird. Teile des Fußes wie Ferse, Außenrand, Kleinzehenballen und Großzehenballen werden vielleicht zum ersten Mal in diesem Zusammenhang bewusst wahrgenommen, und es gelingt das Abrollen der Füße beim Gehen.
Die aufrechte Haltung, sowohl im Sitzen als auch im Stehen, wird in jeder Stunde wiederholt. Dabei ist es für viele eine neue Erfahrung die Sitzbeinhöcker zu spüren und ihre Beckenstellung zu korrigieren. Die Ausrichtung der Hüftgelenke und Beinachsen wird gezeigt und beim Aufstehen darauf geachtet, dass die Knie nicht nach innen kippen, sondern im Verlauf der Achse bleiben und auch zu erleben im Gleichgewicht zu sein, im Sitzen oder im Stehen, das heißt den Körper so auszurichten, dass jede unnötige Muskelspannung eingespart wird und sowohl Stabilität als auch Flexibilität sein können.
Die einzelnen Wirbelsäulenabschnitte werden erklärt und die Aufrichtung verbessert durch Übungen für Beugung, Streckung und Rotation der Wirbelsäule. Diese sind auch in der Atempädagogik wichtig, um einen Fluss der Bewegung von den unteren zu den oberen Körperabschnitten zu ermöglichen. Die Bewegung der Gelenke wird sehr bewusst ausgeführt. So ist zum Beispiel die Anleitung einer Übung beim Schultern kreisen, es so zu tun als wäre es das erste Mal. Welche Bewegungsmöglichkeiten und welchen Bewegungsumfang ermöglicht mir das Schultergelenk?
Die Übungsanleitung ist auch immer mit dem Hinweis verbunden, die Bewegung so auszuführen, wie es für die TeilnehmerInnen möglich ist, selbst darauf zu achten, die eigenen Grenzen zu spüren, rechtzeitig die Bewegung dem eigenen Können und Bedürfnis anzupassen. Hier kann auch ein Zusammenhang in den Alltag hergestellt werden, sich körperlich und auch psychisch nicht zu überfordern.
Ich denke es geht nicht nur um die Bewegung selbst, sondern um die Art und Weise wie wir den Körper bewegen, und welche innere Einstellung wir für unseren Körper entwickeln können.
Die Atempädagogik bietet hier ein Übungsangebot, das mit Achtsamkeit und Wahrnehmung für die Bewegung auch noch den Vorteil für die Bewusstheit des Atems bietet. Bewegung und Atem werden positiv beeinflusst. Werden Zusammenhänge im Bewegungs- und Atemverhalten erkannt, kann sich beides entscheidend verändern.
Ingrid Feuereis, Atempädagogin und Vorstandsmitglied atem austria, 2023
Atempädagogik ist atemzentrierte Körper- und Bewegungsarbeit
Eingereicht bei der SVS, um atempädagogische Angebote künftig dem Bereich „Bewegung“ zuzuordnen zu lassen.
Die Atempädagogik ist eine atemzentrierte Körper- und Bewegungsarbeit, um ganzheitliche Gesundheit zu fördern. Der Atem selbst ist Bewegung und nicht nur Gasaustausch. Neben dem Hauptatemmuskel, dem Zwerchfell, sind bis zu 20 Muskeln an der Atembewegung beteiligt, deren Hauptaufgabe in der Aufrichtung und Haltung des Körpers liegen.
Die optimale Koordination von Atem- und Körperbewegung ist essenziell für eine gesunde und beschwerdefreie Bewegung. Außerdem hat dies positive Auswirkungen auf das Sitzen im Büro und unterstützt den Krafteinsatz bei sportlicher Anstrengung, aber auch bei alltäglichen Aktivitäten wie Stiegen steigen. Mit den zwei Eckpfeilern der Atempädagogik -- Bewegung und Achtsamkeit -- schaffen wir ideale Voraussetzungen, um dieses koordinative Gleichgewicht zu finden.
Mittels fließender Bewegungen, rhythmischen Dehnens, Klopfen, Streichen und Druckpunkten bieten wir Bewegungsangebote, die eine bestmögliche Integration der Atem- und Körperbewegung und einen optimalen Ausgleich der Spannungsverhältnisse der Muskulatur fördern. Das passiert in einer Atmosphäre von großer Achtsamkeit, die diese Veränderungen erst möglich machen. Dieses Zusammenspiel führt zu erhöhter Kohärenz, und zwar auf einer ganz grundlegenden und fundamentalen Ebene, nämlich der des Körpers und der Bewegung. Laut Aaron Antonovsky ist die Kohärenz der entscheidende Faktor für Salutogenese und kann hier optimal genutzt werden, um Gesundheit zu unterstützen.
Darüber hinaus wirken diese Übungen auch positiv auf das vegetative Nervensystem, das noch Auswirkungen über das Bewegungssystem hinaus hat und positiv auf dasselbe zurückwirkt. Entzündungen und Schmerzempfinden sind so körpereigen besser handhabbar. Die Atempädagogik ist eine umfassende Methode, die auf vielfältige Art und Weise Körper- und Bewegungsgesundheit fördert.
Das Übungssetting, einzeln oder in der Gruppe
Im Übungssetting wird vor allem sitzend auf einem Hocker und stehend gearbeitet. Dabei wird der Atem in seinem Zusammenspiel mit Bewegung und Stimme erforscht. Wo erfahre ich Kraft, Raum und Leichtigkeit in Atem und Bewegung, wie kann ich diese Erfahrungen im Alltag unterstützen und welche wichtigen Veränderungen sind jetzt für mich notwendig? Durch das Nachspüren kann das Erlebte anschließend nicht bloß als intellektuelles Wissen abgespeichert werden, sondern als Erfahrungsschatz in den Alltag integriert werden. Der abschließende Austausch ermöglicht uns, voneinander zu lernen und das Erlernte auch explizit zur Verfügung zu haben.
So kann zum Beispiel die Erfahrung des Schwingens des Atems im Bereich des Rückens ein Schlüssel für eine bequeme und leichte Aufrichtung beim Sitzen sein. Die Kraft und der Einsatz des Ausatems sind zentral für das Heben, Drücken und Steigen, sowohl im Sport als auch im Alltag. Je öfter einzelne Übungen im Alltag von den Klient*innen selbstständig durchgeführt werden, desto nachhaltiger sind Wirkung und Erfolg. Vielfach können diese Übungen auch dort – und ohne aufzufallen – ausgeführt werden, wo sie gerade gebraucht werden: am Arbeitsplatz, am Computer, beim Warten, vor einem Gespräch ...
Das Behandlungssetting
Im Behandlungssetting, das so genannt wird, weil hier die Atempädagog*in mit ihren Händen mit der Klient*in kommuniziert, liegt die Klient*in bekleidet in Rücken-, Bauch- oder Seitlage auf einer Behandlungsliege. Die Atempädagog*in nimmt über die Hände Kontakt mit dem Atemgeschehen der Klient*in auf und bietet unterschiedliche Interventionen an.
Dazu zählen Halt geben, Dehnungen und Druck, feines Schütteln sowie passives Bewegen von Gelenken und ganzen Körperbereichen. Damit kann das Bewegungspotential des ganzen Körpers bewusst gemacht und vergrößert werden.
Durch die achtsame Begleitung des Prozesses durch die Klient*in kann sich dieses Potential integrieren und der Atem für den Alltag nutzbar werden. Zwischendurch und vor allem im Anschluss an die Behandlung findet ein verbaler Austausch über die Erfahrungen und Wirkungen statt.
Johannes Zemanek, Atempädagoge und Vorstandsmitglied atem austria, 2023